31 Januar 2007

Bissig ...

... kommentiert die taz die Neueröffnung der Kulturkirche in Bremen. Aber seien wir ehrlich: ganz abwegig ist der Kommentar nicht. Wenn es stimmt, dass es eine kulturnahe bestehende Kirchenarbeit gibt, deren Zuschüsse gefährdet sind, und zugleich eine Citykirche ostentativ zur Kulturkirche umgewidmet wurde, dann ist das schon merkwürdig. Dann wird Kultur tatsächlich als Notlösung missbraucht.

Kulturförderung zur evangelischen Profilierung: ja, Kunst und Kulturförderung an sich: nein. Das ist und bleibt der Eindruck von der Kulturpolitik der Evangelischen Kirche.

Und wer sich die Programmatik der Kulturkirche durchliest, dem wird von der kulinarischen Metaphorik schnell übel. So ist das mit der Kunst: "Am Freitag wird die Kulturkirche mit dem Symposium "Die neue Lust der Kirche an der Kultur" eröffnet ... Mitten in der Kirche wird dann die monumentale Installation "Geld wie Sand" zu sehen sein. Das Wochenende steht ganz im Zeichen kultureller Vielfalt. Für Geist, Herz, Ohren und Gaumen ist etwas dabei." Na also, es geht doch. Die Kirche fragt "Wer bin ich" und ganz nostalgisch setzt sie nach: "Welches Schweinderl hätten Sie denn gerne".

Vielleicht gilt für den Protestantismus im Blick auf die zeitgenössische Kunst und Kultur tatsächlich: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das wären finstere Aussichten für die zeitgenössische Kunst und Kultur im Gespräch mit der Kirche, wenn denn ein solcher Dialog überhaupt noch geschehen würde.

28 Januar 2007

Der Sieg der Kirche über die Kunst

--- titelt die Berliner Zeitung einen Feuilletonbericht über einen Prozess gegen zeitgenössische Kunst in Russland, den die orthodoxe Kirche initiiert hat: "Sechs Tage nach der Eröffnung verurteilt Metropolit Kyrill von der Russisch-Orthodoxen Kirche die Veranstalter ... In der TV-Sendung "Russisches Haus" verhängen Priester live den Kirchenbann. Im Februar appelliert das russische Parlament an die Staatsanwaltschaft, gegen die Veranstalter wegen Schürens von religiösem Zwist vorzugehen. 265 von 267 Abgeordneten stimmen dafür ... Ein Kunstgutachten, verfasst von verbohrten Ikonen-Expertinnen, definiert die gesamte zeitgenössische Kunst als 'zeichenschaffende Tätigkeit von nihilistischer Orientierung'. So steht es dann wörtlich im Urteil." Wirklich erschreckend und zugleich nicht überraschend. [Mehr ...]

26 Januar 2007

Nestbeschmutzung

Das Impulspapier zur Zukunft der Kirche hat viele Kritiker - nicht zuletzt die Pfarrer. Und das zu Recht, wie der Tagesspiegel schreibt: "Viele Pfarrer sind schlichtweg beleidigt, weil sie im Impulspapier nicht gut wegkommen. „Wir werden als desorientiert, unterqualifiziert und separatistisch beschrieben“, sagt Pfarrer Klaus Weber, der dem Pfarrerverband vorsitzt. Er hätte die Versammelten in Wittenberg gerne gefragt, was mit den geforderten „Qualitätsstandards“, „Leistungsbewusstsein“ und „geistlicher Kompetenz“ gemeint sei. Aber der Pfarrerverband, der 20 000 Pfarrer vertritt, ist nicht eingeladen."

Das, was Dietrich Neuhaus schon im Jahr 1999 als kommenden "Fundamentalismus von oben" gegeißelt hatte, scheint nun Früchte zu tragen (vgl. dazu die Anmerkungen zur "Fundamentalismus-Debatte" im Magazin für Theologie und Ästhetik).

25 Januar 2007

Wozu Kulturwissenschaften?

Interessante Überlegungen zur Relevanz der Geistes- und Kulturwissenschaften hat Harald Welzer in der ZEIT vorgelegt. Ob die von ihm skizzierte Öffnung der Geisteswissenschaften tatsächlich so stattfinden muss, wie er es beschreibt, darüber bin ich mir nicht sicher. Seiner Schlussfolgerung kann ich aber nur zustimmen: "Was uns durch den Erkenntnisschock von 1989 abhanden gekommen ist und was uns die Scheinpragmatiker in den ökonomischen und politischen Eliten zu erfolgreich ausgeredet haben, ist die alles entscheidende Frage: Wie wollen wir leben? ... Insofern wird das neue Rollenverständnis der Geistes- und Kulturwissenschaften auch vitalisieren müssen, was zu lange abgelebt schien: den Begriff des Politischen." [Zum Artikel]

Vorbildliche Kulturvermittlung

Die Digitale Mozartausgabe der Internationalen Stiftung Mozarteum in Verbindung mit dem Packard Humanities Institute ist ein faszinierendes Beispiel für die kulturellen Vermittlungsmöglichkeiten des Internets: "The digitized version offers the musical text and the critical commentaries of the entire Neue Mozart-Ausgabe, edited by the Internationale Stiftung Mozart in cooperation with the Mozart cities of Augsburg, Salzburg, and Vienna." Tatsächlich kann man sich mit wenigen Klicks jedes Stück von Mozart einschließlich aller Anmerkungen als PDF-Datei herunterladen. Das ist wirklich vorbildlich und sollte auf diesem Niveau auch ein Standard für andere kulturhistorische Bereiche wie etwa Literatur und Bildende Kunst werden. Zur Nachahmung empfohlen!

20 Januar 2007

Traurige Wahrheit

"Die Sammlung der modernen religiösen Kunst ist, trotz einem Dix und einem Rouault, notwendigerweise ein Trauerspiel. Die Künstler und die Kirche haben einander nichts mehr zu sagen, nicht einmal ein Papst-Bild von Francis Bacon fand den Weg in die Vatikanischen Museen. Und Maurizio Cattelans Skulptur «Die neunte Stunde», sie zeigt Papst Johannes Paul II., von einem Meteoriten getroffen am Boden liegend, wird wohl kaum die Karriere des Laokoon machen" - das schreibt Petra Kipphoff unter der Überschrift "Das verwirrendste Museum der Welt" über die vatikanischen Sammlungen. [Mehr ...]

18 Januar 2007

Unbedingt ansehen!




Journal für Kunst, Sex und Mathematik

Etwas verspätet ...

... aber um so vehementer reagiert die taz unter der Überschrift "Huber Bubba. Der evangelische Bischof Wolfgang Huber ist der größte Blasenwerfer unserer Zeit" auf das schon im Juli erschienene Impulspapier "Kirche der Freiheit" (Vgl. dazu die Notiz in diesem Blog aus dem Juli 2006).

Was Michael Rudolf ins seiner Polemik aber überzeugend gelungen ist, ist die Phrasendrescherei des Papiers dem Leser komprimiert vor Augen zu führen. Zwar ist die Personalisierung nicht ganz gerechtfertigt, zeichnet doch gleich ein ganzes Gremium für das Elaborat verantwortlich, in der Sache trifft die ironische Zuspitzung aber den Kern. Und seien wir ehrlich: die "Kompetenz-Kompetenz" möchten wir der EKD gar nicht absprechen. Die kulturelle Kompetenz dagegen schon. Und die sprachliche erst recht.

14 Januar 2007

Abrisswahn

Unter dem Titel "Ein Land auf Abriss" beschreibt Hanno Rauterberg in der ZEIT die fortschreitende Vernichtung kulturgeschichtlich wichtiger Bauwerke im Interesse von ökonomisch verwertbaren Neubauten. [Mehr ...]

Kritisch beschäftigt sich Jens Jenssen in der gleichen Ausgabe mit der Denkmal-Ideologie, die längst nicht mehr das das ästhetisch Wertvolle sondern das historisch Interessante schütze. [Mehr ...]

08 Januar 2007

Religion und ihr Anderes

"Die Möglichkeit, das Religiöse und das Säkulare als getrennte Sphären zu denken, ist für die europäische Moderne konstitutiv".
So heißt es im Programm zu einer internationalen Konferenz zum Thema "Religion und ihr Anderes. Säkulare und sakrale Konzepte und Praktiken in Interaktion". Die Tagung will ausgehend von konzeptionellen Überlegungen des Kulturanthropologen Talal Asad zu den Konstitutionsprozessen des Religiösen und des Säkularen erörtern, wie sich Konzepte und Praktiken beider Sphären herausbilden, wie deren Grenzen generiert, ausgehandelt, stabil gehalten bzw. verändert werden. Gefragt wird auch, "was geschieht, wenn spezifische Konzepte des Säkularen und des Religiösen mobil werden, wenn sich religiöse und säkulare Selbstentwürfe in transnationalen scapes (Arjun Appadurai) und zunehmend globalisierten Räumen bewähren müssen und unterschiedliche Konzepte des Religiösen in immer schon politisch und sozial vorstrukturierten Konstellationen aufeinander treffen?"

“Religion und ihr Anderes. Säkulare und sakrale Konzepte und Praktiken in Interaktion / Religion and Its Other: Secular and Sacral Concepts and Practices in Interaction” Humboldt-Universität zu Berlin, Hauptgebäude, Unter den Linden 6-9, 30. März - 1. April 2007

04 Januar 2007

COATS! Mode aus Italien

"Eine Reise in die Welt der italienischen Mode" verspricht die Ausstellung "COATS! Max Mara, 55 Jahre Mode aus Italien". Noch bis zum 4. März 2007 ist in der Kunstbibliothek des Kulturforums am Potsdamer Platz in Berlin bisher unveröffentlichtes Material aus dem Firmenarchiv des Modeunternehmens Max Mara zu sehen. "Max Mara wurde 1951 von Achille Maramotti in Reggio Emilia gegründet. [...] Der Schwerpunkt der Ausstellung [...] liegt auf den beiden Hauptkollektionen Max Mara (ab 1951) und Sportmax (ab 1969), für die neben dem hauseigenen Designteam bekannte Modedesigner wie Karl Lagerfeld, Jean Charles de Castelbajac, Luciano Soprani, Guy Paulin oder Anne-Marie Beretta verantwortlich zeichnen. Als roter Faden dienen die berühmten, heute klassischen Woll- und Kaschmirmäntel des MaxMara-Labels sowie Mäntel und Kostüme der Designkollektion Sportmax. Neben den rund 60 originalen Modellen sowie zahlreichen Entwurfs- und Kollektionsskizzen widmet sich die Ausstellung dem Thema der Bildkommunikation mit Modefotografien von Sarah Moon, Peter Lindbergh, Richard Avedon, Steven Meisel und anderen bedeutenden Bildautoren."

COATS! Max Mara, 55 Jahre Mode aus Italien, Kulturforum Potsdamer Platz, Kunstbibliothek, Sonderausstellungsraum oben, 30. November 2006 bis 4. März 2007