11 Juli 2013

Die Feinde der offenen Gesellschaft

Man kann der EKD nur dankbar sein, dass sie ihre Orientierungshilfe so dezidiert formuliert und zur Diskussion gestellt hat. Zumindest eines wurde damit erreicht: die Feinde einer offenen und freien Gesellschaft fühlen sich provoziert.

Ein bestimmter konservativer Teil der katholischen Kirche versteht Katholizismus seit einigen Jahren weniger als Bekenntnis zu Jesus Christus, als vielmehr als ideologische Motivation zur Verfolgung von Homosexuellen. Kreuz.net war da nur die Spitze des Eisberges. Wie verbreitet die Verachtung von Homosexuellen ist, kann man auf kath.net oder katholisches.info nachlesen, wo Evangelische schon gerne mal als ‚Protestunten‘ bezeichnet werden. Nun ist es mir ganz egal, wie die Katholische Kirche und manche ihrer Zirkel ihr Verhältnis zur Homosexualität bestimmen – solange das nur die Katholiken betrifft. Das müssen sie unter sich ausmachen. Wenn es ihnen gefällt, Gott so zu denken, dass dieser die sexuelle Identität mancher Menschen grundsätzlich ablehnt – bitte schön, wer das glauben mag. Mein Gottesbild ist ein anderes.

Was wir als Teil der offenen Gesellschaft aber nicht tolerieren sollten, ist der Versuch einer konservativ-katholischen Domestizierung unserer Lebenswelt. Nur weil manche Katholiken ein Problem mit Homosexualität und eben auch mit Homosexuellen haben, muss der Rest der Gesellschaft nicht darunter leiden. Geht man davon aus, dass selbst in der katholischen Kirche die Homosexuellen-Phobie nur eine minoritäre Position ist, dann erleben wir gerade, wie eine aggressive kleine Minderheit weltweit die Menschenrechte – und hier meine ich das Menschenrecht der Homosexuellen auf Gleichbehandlung – einzuschränken sucht. Ich sehe in diesem Sinne das Forum Deutscher Katholiken als Feind einer offenen und freien Gesellschaft. Dass ausgerechnet ein Vertreter dieses Forums sich gegen die EKD auf die Falsifizierungsthese von Karl Popper beruft ist wirklich eine Beleidigung des kritischen Rationalismus und lässt fragen, ob der Betreffende begriffen hat, was diese These besagt. Karl Popper ist ein dezidierter Vertreter einer offenen Gesellschaft und damit ein Kritiker dessen, was der konservative Katholizismus mit seiner Ausgrenzung der Homosexuellen intendiert. Deshalb war für Popper die strikte religiöse Neutralität der Gesellschaft wichtig.

Dass konservative Vertreter der katholischen Kirche im Konzert mit Vertretern der Evangelikalen nun ernsthaft meinen, der Evangelischen Kirche vorwerfen zu müssen, diese halte sich nicht an Schrift und Bekenntnis, ist lachhaft. Da würde ich doch vorschlagen, lieber gründlich vor der eigenen Tür zu kehren.

Warum aber diese panikartigen Attacken auf ein Papier der EKD? Der konservative Katholizismus erkennt, dass er mit seinen Positionen in unserer freien Gesellschaft keine Rolle mehr spielt. Nicht einmal die Katholiken selbst halten sich an katholische Regeln zur Sexualmoral – weder in Sachen Kondomgebrauch, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Scheidung usw. Dieses ganze Gebäude der Identifizierung von Religion mit Moral ist in sich zusammengestürzt. Selbst die CDU hat erkannt, dass dieser Konnex uns nicht weiterbringt. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, wird nun alles niedergemacht, was andere Positionen vertritt. Und es reicht offenkundig nicht zu sagen, ich denke anders, sondern man muss dem anderen auch noch grundsätzlich seine Position bestreiten. Helfen wird das den konservativen Katholiken aber auch nicht: Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.