15 Februar 2010

Gegen das aristokratische Kunstverständnis?

Wenn man in der Kirche irgendwie Unsinn reden kann, dann tut man es auch. Gelegenheit bot hierzu die aktuelle Berlinale, die traditionell von den Kirchen begleitet wird. Während die Förderung der Auseinandersetzung mit dem Film an sich zumindest durch die Evangelische Kirche eher rückläufig ist (das Geld investiert man lieber in Projekte wie evangelisch.de), ist das Selbstbewusstsein ungebrochen hoch: "Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, sagte, das Filmschaffen eröffne 'Räume des Unverfügbaren' und übe damit auch einen eigenen Einfluss auf Religion und Theologie aus. Viele Filme verlangten theologisch versierte Zuschauer. Als Beispiel führte sie den Film-Klassiker "Metropolis" von Fritz Lang an". Vielleicht braucht es religiös versierte Zuschauer, aber theologisch versierte? Und inwiefern eröffnen Filme "Räume des Unverfügbaren"? Ist die säkulare Rede vom "Unverfügbaren" nicht eine völlig andere als die theologisch/religiöse Rede?

Dass ich das Ganze nicht nachvollziehen kann, hat offensichtlich auch etwas mit meinem elitären Kunstverständnis zu tun. Das wurde mir zumindest bei der Preisrede des von den Kirchen ausgezeichneten Filmwissenschaftlers Koebner deutlich. Koebner beklagte, dass es nach wie vor eine "kategorische Verachtung" des Films als Kunstform im konservativen deutschen Bildungsmilieu gebe. Zugleich sei aber auch der Einfluss eines aristokratischen Kunstverständnisses des deutschen Philosophen der "Frankfurter Schule", Theodor W. Adorno, für diese Geringschätzung mitverantwortlich.

Ja, so dachte ich mir das immer schon: Adorno ein Aristokrat und konservativer Bildungsbürger. Ach, waren das noch Zeiten, als Adorno in Deutschland (Ost und West) als Neo-Marxist galt. Heute reicht es, seinen Namen zu nennen und darauf zu setzen, dass alle bedenklich mit dem Kopf schütteln, denn gelesen hat ihn offensichtlich schon lange niemand mehr. Deshalb muss man auch nicht damit rechnen, dass einem jemand widerspricht, wenn man behauptet, Adorno sei für das schlechte Image des Films als Kunstform verantwortlich. Vielleicht liegt es doch eher am Genre selbst.