Im Kapitel über Immanenz und Transzendenz schreibt Rudolf Eucken 1895 in seinem Buch "Die Grundbegriffe der Gegenwart, historisch und kritisch entwickelt" zum Verhältnis von Religion und Kultur:
"Denn das Ganze des menschlichen Daseins erfassen und durchdringen kann sie [die Religion] nicht, ohne in seine Formen einzugehen und sich ihnen anzupassen; sie tritt damit auch in eine Beziehung zur jeweiligen Kulturlage und gerät zugleich in eine gewisse Abhängigkeit von ihr. Nun sind jene Formen ihrer Natur nach unzulänglich für das, was als Wendung des Daseins zum Absoluten alle Größen und Maße der Durchschnittswelt hinter sich läßt. Aber diese Unzulänglichkeit wird so lange nicht peinlich empfunden werden, als jene Anleihe von der Kultur der Höhe der geistigen Entwickelung entspricht; schwere Konflikte sind dagegen unvermeidlich, wenn die Religion in ihrer Gestaltung und Einkleidung eine Phase der Kulturarbeit festlegt, über welche die Bewegung thatsächlich hinausgegangen ist. Daß die Religion die Ansprüche, die sie für die begründenden Thatsachen erheben muß, auch auf jene Zeitform überträgt, ist wohl begreiflich, ja kaum vermeidlich; aber der Zwiespalt, in den sich dadurch weniger die Religion als die Erscheinungsform der Religion mit der Kultur verwickelt, wird dadurch nicht minder schädlich, schädlich vor allem für das Wirken der Religion selbst. Denn so gerät es in tausendfache Hemmungen und sieht sich Feinden gegenüber, denen es sich innerlich weit überlegen fühlt, und die es doch auf dem Gebiete des Zusammenstoßes nicht überwinden kann."
Man kann sich fragen, ob sich der Erkenntnisstand der Kirchen seit dieser Zeit in irgendeiner Weise geändert hat.