26 September 2006

Theater

Die Absetzung von "Idomeneo" an der Deutschen Oper Berlin hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Um eine Gefährdung des Publikums und der Mitarbeiter auszuschließen, hatte sich Intendantin Kirsten Harms entschlossen, von der Wiederaufnahme des "Idomeneo" am 5., 8., 15. und 18. November abzusehen, hieß es in der Mitteilung des Opernhauses. Bei der 1781 uraufgeführten Oper geht es um den Widerstand der Menschen gegen Opfergaben an die Götter. In der Inszenierung von Hans Neuenfels, die bereits während der Premiere im Dezember 2003 auf Publikumsproteste gestoßen war, präsentiert König Idomeneo die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed und stellt sie auf vier Stühle. "Mozarts Oper sei ein radikales Plädoyer für die Selbstbestimmung des Menschen", schrieb Regisseur Hans Neuenfels. Anlass der Absetzung war eine allgemeine Gefährdungsanalyse der Polizei.

Der Regiseeur war von der Absetzung nur in Kenntnis gesetzt worden. Er hält die Absetzung entschieden für einen falschen Schritt: "Das geht so nicht. Wo kommen wir denn da hin? Wenn Frau Harms den Eindruck hat, dass tatsächlich eine begründete Gefahr besteht, dann muss sie an die Öffentlichkeit gehen und das zum Thema machen: indem man das Stück nun erst recht zeigt und zur Diskussion stellt und nicht einfach klein beigibt. Doch sie hatte die Wiederaufnahme bereits abgesetzt ... Die Absetzung des "Idomeneo" aus purer Angst heraus gewinnt unter diesen Umständen eine weit reichende Bedeutung. Es geht hier nicht zuletzt um die Verteidigung unseres abendländischen Kulturverständnisses."

20 September 2006

Kunst und Religion

Im neu erschienenen "Wörterbuch der Religionen", das ich gerade für das Magazin für Theologie und Ästhetik lese und rezensiere, kann man unter dem Stichwort 'Kunst' lesen:

"Während Kunst nicht auf eine Beziehung zum Religiösen angewiesen ist, verhält sich keine Religion zur Kunst indifferent."

Keine Religion verhält sich zur Kunst indifferent? Das ist entweder trivial (weil es ja irgend eine Haltung geben muss) oder unwahr. Wahr wäre es nur, wenn man Kunst so bestimmt, dass der gesamte Gang der europäischen Aufklärung und Moderne im Sinne der Kritik der Darstellungsästhetik außer acht gelassen wird. Konsequent fährt der Text fort:

"Diese Asymmetrie gründet darin, dass Religion auf sinnliche Wahrnehmung angewiesen ist, um Abwesendes sichtbar zu machen."

Bemerkenswert daran ist die Identifikation von Kunst und sinnlicher Wahrnehmung. Nun ist es sicher so, dass Kunst ohne Sinnlichkeit und seit der Romantik auch ohne die Reflexion der sinnlichen Wahrnehmung nicht denkbar ist, andererseits impliziert sinnliche Wahrnehmung keinesfalls schon Kunst. Ich kann daher nicht sehen, dass Religion auf sinnliche Wahrnehmung im Sinne der Kunst angewiesen wäre. Ganz offensichtlich ist sie es nicht. Zumindest nach dem Selbstverständnis der bildkritischen religiösen Traditionen kann auf Kunst zum Sichtbarmachen des Abwesenden verzichtet werden - ganz im Gegenteil: Kunst wäre hier unangebracht. Und bei den den Bildern eher aufgeschlossenen Religionen, kann man nun gerade die fehlende Öffnung zur Kunst bemängeln.

Erst wenn man Kunst im Sinne der mittelalterlichen Tradition der sinnlichen Darstellung, ja der bloßen Illustration fasst, macht die Bestimmung Sinn. Warum man dann aber nicht konsequenter schreibt, dass jede Religion auf sinnliche Getaltung und Darstellung (nicht aber auf Kunst) angewiesen ist, ist mir nicht ersichtlich.

Präziser differenziert dagegen der Artikel zur "Religionsästhetik" zwischen einem anzuwendenden Aisthesis-Begriff und einem kunstphilosophischen Diskurs der Ästhetik als Lehre vom Kunstschönen. Aber auch hier ist das religionsästhetische Interesse an der Nivellierung des neuzeitlichen Differenzierungsgewinns spürbar, wenn abschließend davon gesprochen wird, man müsse die religiöse Massenproduktion "gleichberechtigt" zu Kunstwerken untersuchen.

Religion und Kultur

Im Kapitel über Immanenz und Transzendenz schreibt Rudolf Eucken 1895 in seinem Buch "Die Grundbegriffe der Gegenwart, historisch und kritisch entwickelt" zum Verhältnis von Religion und Kultur:

"Denn das Ganze des menschlichen Daseins erfassen und durchdringen kann sie [die Religion] nicht, ohne in seine Formen einzugehen und sich ihnen anzupassen; sie tritt damit auch in eine Beziehung zur jeweiligen Kulturlage und gerät zugleich in eine gewisse Abhängigkeit von ihr. Nun sind jene Formen ihrer Natur nach unzulänglich für das, was als Wendung des Daseins zum Absoluten alle Größen und Maße der Durchschnittswelt hinter sich läßt. Aber diese Unzulänglichkeit wird so lange nicht peinlich empfunden werden, als jene Anleihe von der Kultur der Höhe der geistigen Entwickelung entspricht; schwere Konflikte sind dagegen unvermeidlich, wenn die Religion in ihrer Gestaltung und Einkleidung eine Phase der Kulturarbeit festlegt, über welche die Bewegung thatsächlich hinausgegangen ist. Daß die Religion die Ansprüche, die sie für die begründenden Thatsachen erheben muß, auch auf jene Zeitform überträgt, ist wohl begreiflich, ja kaum vermeidlich; aber der Zwiespalt, in den sich dadurch weniger die Religion als die Erscheinungsform der Religion mit der Kultur verwickelt, wird dadurch nicht minder schädlich, schädlich vor allem für das Wirken der Religion selbst. Denn so gerät es in tausendfache Hemmungen und sieht sich Feinden gegenüber, denen es sich innerlich weit überlegen fühlt, und die es doch auf dem Gebiete des Zusammenstoßes nicht überwinden kann."

Man kann sich fragen, ob sich der Erkenntnisstand der Kirchen seit dieser Zeit in irgendeiner Weise geändert hat.

Verirrungen

Wie immer man zum Google-Projekt der Digitalisierung der Bücherwelten stehen mag, unbestreitbar ist, dass man dadurch manch Interessantes und auch Lustiges auf die Festplatte herunter laden kann. Nach der Eingabe der Worte 'Kunst' und 'Religion' stoße ich auf Wilhelm Rankes "Die Verirrungen der christlichen Kunst" und lade mir die 56-seitige Schrift im PDF-Format herunter. Es ist eine zum Teil erschreckende, zum Teil durchaus interessante, vor allem aber moralisierende Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen christlichen Kunst aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Insbesondere die nach Italien gegangenen Künstler stehen in der Kritik, statt dessen wird "deutsche" Kunst empfohlen. In nuce zeichnet sich hier schon die Programmatik nationaler Kunst ab.

Abgelehnt wird in der christlichen Kunst alles, was verstörend wirken könnte. Dazu gehört vor allem die Nacktheit (ein undeutsches Phänomen wie der Verfasser anmerkt), aber auch alles dogmatisch Anstößige wie Darstellungen Gottes oder der Trinität. Dann aber soll auch alles religiös Trennende aus der Kunst entfernt werden. Unerwünscht sind daher Darstellungen der Verbrennung von Jan Hus. Das Buch schließt mit folgenden Bemerkungen:

Und offensichtlich sind auch heute, 150 Jahre später, immer noch einige Menschen der Meinung, dass das stimmt.

10 September 2006

Kleiderprojekte

Im Rahmen ihres Projektraumes Satellit zeigt die Galerie Anita Beckers Arbeiten des Labels COLLENBERG/PONICANOVA in der Ausstellung „Kleiderprojekte“. „Ausgehend von grundlegenden Themen des Daseins und deren Manifestationen im Alltag, versuchen wir mit unseren Kleidungsstücken über diese Erscheinungs- und Umgangsformen zu reflektieren.“ (Collenberg/Ponicanova)

Der Projektraum SATELLIT ist am Römerberg in Frankfurt gelegen, zwischen Schirn und Kunstverein. Die Ausstellung läuft vom 09. September bis 11. November 2006.
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Yves Netzhammer

In der Ausstellung „Die ungenauen Körper“ mit YVES NETZHAMMER zeigt die Galerie Anita Beckers eine neue Videoinstallation sowie großformatige, zeichnerische Arbeiten, die – in neuer Art und Weise – auf Holzverbundplatten gemalt und freistehend im Raum angeordnet werden. Nachdem 2005 die Kunsthalle Bremen Yves Netzhammer eine groß angelegte Einzelausstellung widmete, waren seine Arbeiten in diesem Jahr in Einzelausstellungen im Museum Rietberg in Zürich und in der Kunstmuseum Solothurn zu sehen. 2007 wird Netzhammer mit seinen Arbeiten im Kontext der Documenta 12 in der Karlskirche in Kassel vertreten sein.

Die Ausstellung ist geöffnet vom 8. SEPTEMBER - 11. NOVEMBER 2006 [Mehr ...]

09 September 2006

Jonathan Meese

Vom 22. September bis zum 22. Oktober zeigt der Hospitalhof in Stuttgart eine Ausstellung mit Malerei und Installation von Jonathan Meese: Dr. Father Brown in Sankt Maria Pfarr. Die Ausstellung ist geöffnet Mo. – Fr. 14 – 17 Uhr; an Sonn- und Feiertagen 11-12.30 Uhr
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Caravaggio

"Nur wenige Künstler haben bereits zu Lebzeiten mit ihren ausdrucksstarken Werken und ihrem bewegten Leben so viel Aufsehen erregt wie der italienische Maler Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610). Noch heute lösen seine von meisterhafter Lichtdramatik und eindringlichem Realismus geprägten Gemälde eine große Faszination auf den Betrachter aus.

Erstmals in Deutschland wird nun dem Meister des italienischen Frühbarock eine eigene Ausstellung gewidmet, die sich ausschließlich auf die Bilderfindungen Caravaggios konzentriert. Die von Jürgen Harten kuratierte, exklusiv im museum kunst palast vom 09.09.2006 - 07.01.2007 gezeigte Schau vereint über 30 Gemälde aus den verschiedenen Schaffensphasen des Malers." [Mehr ...]

04 September 2006

Höchstlandesherrliche Verordnung

„Sinnliche Darstellungen gewisser Religionsbegebenheiten waren nur in einem solchen Zeitraum nützlich oder gar notwendig, in welchem es an geschickten Religionsdienern fehlte, die Unterrichtsanstalten noch sehr selten und ganz mangelhaft waren, und das Volk noch auf einer so niedrigen Stufe der Cultur und Aufklärung stand, dass man leichter durch Versinnlichung der Gegenstände, als durch mündlichen Unterricht und Belehrung auf den Verstand wirken, und dem Gedächtnis nachhelfen konnte.“

Höchstlandesherrliche Verordnung Frankens vom 4. November 1803

Kunstkörperlich - Körperkünstlich

Die Kunsthalle Dominikanerkirche in Osnabrück präsentiert vom 10. September bis 15. November die Ausstellung "Kunstkörperlich - Körperkünstlich. Neue Formulierungen des Menschenbildes in der figürlichen Plastik".

Das Interesse am modernen Menschenbild und das Experiment mit neuen Werkstoffen rücken die figurative Objektkunst seit den siebziger Jahren stärker in den Fokus der jüngeren internationalen Künstlergeneration. Die aktuelle figurative Plastik zeigt ein gewandeltes Menschenbild, das sich auf die Probleme der modernen Gesellschaft und ihrer städtischen Zivilisation bezieht. Die Verstädterung, das veränderte Verhältnis zur Natur und Religion, die Suche nach der eigenen sozialen und kulturellen Identität, die gewandelte Sexualität, das Verhältnis von Körper und Körperbild im Medienzeitalter beziehungsweise im digitalen Zeitalter sind zentrale Aspekte in der neuen Auseinandersetzung von Künstlern mit dem Bild des Menschen.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Dominikanerkirche kann diese neue Entwicklung in der plastischen Kunst nur beispielhaft zur Diskussion stellen. Sie widmet sich diesem Thema über eine Ausstellungsreihe. Im ersten Projekt werden unter anderem Arbeiten der Deutschen Stephan Balkenhol, Kirsten Geisler, Juliane Jüttner, Volker März, Sandra Munzel, Monke Herbert Rauer, Silke Rehberg, Susanne Ring, Christian Rösner, Lothar Seruset und Cora Volz präsentiert. Darüber hinaus sind Arbeiten der Italiener Aron Demetz und Alba D´Urbano, der Britin Marilène Oliver und des Kanadiers Max Streicher zu sehen.

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