Es gehört ja zu den betriebsinternen Witzen des Kunstsystems, dass in einem Museum ein Kunstwerk der Moderne aus Versehen verkehrt herum, also auf dem Kopf aufgehängt wurde. Spätestens seit der Abstraktion ist es ja auch gar nicht so einfach, sich zu orientieren.
Die Evangelische Kirche in Deutschland hat es nun bei ihrer neuesten Denkschrift geschafft, diesen Effekt zu reproduzieren, sozusagen Mark Rothko auf den Kopf zu stellen (wie manchmal die Welt in der Kunst eines Georg Baselitz). Ist ja auch schwer zu erkennen, wo hier oben und unten ist und in der EKD verfügt man sicher nicht über einen Internetanschluss, um das mal eben zu überprüfen. Die Kunst selbst kommt natürlich in der Denkschrift nicht vor (obwohl sie seit der Romantik durchaus als Kunstreligion zu den religiösen Ausdrucksformen zählt), nur das Wort "Kunst" kommt einmal vor, nämlich als Kunst, etwas Bestimmtes zu können. Ja, Können ist eine Kunst - aber Kunst aufhängen können sie definitiv nicht.
Man kann sich nun fragen, wie man überhaupt auf Mark Rothko im Kontext dieser Denkschrift gekommen ist. Sachlich hätte sich ja ein Bild aus der Rothko-Kapelle in Houston angeboten, die seit Jahrzehnten dem interreligiösen Gespräch dient. Aber das Bild "Nr. 10" hängt im MOMA und hat erkennbar wenig mit der Sache zu tun. Obwohl .... wenn man die Größenordnungen der Farbfelder zueinander nimmt ... Aber so viel Symbolismus werden sie dann doch nicht betrieben haben.
P.S.: Aber man könnte es anhand des Kommentars des MOMA ja mal versuchen: "The irregular patches of color characteristic of the artist’s Multiform
paintings of 1948 seem to have settled into place on this canvas, which
Rothko divided horizontally into three dominant planes of color that
softly and subtly merge into one another. ... He explained, "The progression of a painter's
work, as it travels in time from point to point, will be toward
clarity: toward the elimination of all obstacles between the painter and
the idea, and between the idea and the observer."