Auf
ZEITonline schreibt Maximilian Probst über die Problematik des Tyrannenmordes am Beispiel der Tötung von Gadhafi. Und er holt weit aus, um seine Argumentation zu stützen. Tyrannenmord ist problematisch und erzeugt selber wieder Gewalt - so seine These. Und in den Leserbriefen erntet er entschiedene Zustimmung.
Seine Argumentation ist freilich mehr als abenteuerlich, sie stimmt hinten und vorne nicht. Zunächst einmal geht es beim Tyrannenmord nicht um den Mord an einem Menschen, der einmal Tyrann gewesen ist, sondern um den Mord an einem herrschenden Tyrannen. Das war im vorliegenden Beispiel nicht (mehr) der Fall. Gadhafi war gefangen, als er zu Tode kam. Es handelt sich also vermutlich um einen Racheakt an einem früheren Tyrannen, der von keiner Rechtsposition gedeckt ist. Was es aber nicht war: ein Tyrannenmord.
Probst verweist nun auf - wie er so schön schreibt - archaische Beispiele, die die Problematik des Ganzen zeigen sollen. Und natürlich ist das Alte Testament voller solcher Geschichten. Klar, wenn schon falsch argumentieren, dann aber richtig.
Judith etwa sei eine Rächerin, die einen Tyrannen ermordet habe. Nun,
das Judithbuch ist eine deuterokanonische Erzählung eines unterdrückten Volkes, die mit historischen Realitäten wenig zu tun hat (und dies auch in der Erzählung deutlich macht). Judith tötet keinen Tyrannen, sondern einen feindlichen Feldherrn, der gerade mit einer Übermacht die kleine Stadt, in der sie lebt, bedroht. Tyrannenmord ist der Aufstand des Volkes gegen den eigenen Herrscher. Damit hat Judith aber auch gar nichts zu tun. In der Poetik des Judithbuches rettet der Einsatz einer einzelnen Frau einem ganzen Volk die Freiheit und verhindert zahlreiche Tote. Dies mit der Tötung Gadhafis in Zusammenhang zu bringen ist geballter Unsinn und fördert bloß Vorurteile.
Gadhafis Tod in der Gefangenschaft ist ein Skandal, aber er wird untersucht und beurteilt werden.