Wenn in einer Broschüre zum Thema Bibel und Bild vier Mal Leni Riefenstahl,
drei Mal Gustav Dore und kein Mal Ernst Barlach, Joseph Beuys, Andy Warhol, Marc
Rothko oder Barnett Newman, geschweige denn Bruce Naumann, Gerhard Richter,
John Baldessari, Cindy Sherman, Lawrence Weiner oder Sol LeWitt vorkommen, allenfalls
ein in einer Kirche platziertes Werk von Anish Kapoor (und dann nicht einmal
das aus der Dresdner Frauenkirche) – dann befinden wir uns im Herzen des Protestantismus
2015. Einer kunst- und bild-analphabetischen Religion – zumindest was seine
Funktionärskaste angeht. Wenn statt eines Künstlers ein künstlerisch-tätiger
Theologieprofessor, statt wirklicher Kunst ein Designbüro für die Kunst einsteht,
dann merkt man, dass der Protestantismus in Sachen Bild seit Luther nichts dazu
gelernt hat. Noch immer herrscht unter seinen Funktionären (von wenigen Ausnahmen
wie Ralf Meister abgesehen) eine unmittelbare Verdinglichung der Kunst, eine Ingebrauchnahme
der Bilder wie sie instrumenteller kaum gedacht werden kann.
„Bilder veranschaulichen
die Zentralität Christi oder die Bedeutung der Predigt für die Gemeinde“ (Ratsvorsitzender
Schneider) – darauf wird es wohl hinauslaufen. Es ist diese narzisstische Verliebtheit
des Protestantismus in den Wortfetischismus, die einem den Atem raubt. Und auch
die alte Erfahrung aus Pfarrerfortbildungen schlägt voll durch: der evangelische
Pfarrer oder Professor kann alles selber und besser: malen, dichten, schriftstellern,
musizieren. Den Differenzierungsgewinn der Moderne verachtet er, Autonomie ist
ihm ein Gräuel. Und deshalb ist der Protestantismus auch so mittelmäßig. Aber man
könnte es auch ehrlich nennen.
Das Titelbild der erwähnten Broschüre ziert ein grau-weißes
Kreuz auf weißem Hintergrund, das in einem Pinsel endet. Banaler geht es nicht.
Da lobe ich mir die Kunst der Gegenreformation, die protestantischer als der Protestantismus
heute jemals sein kann, nach dem Verhältnis des Einzelnen zum Bild fragt, und
auf deren Bildern Christus dezentriert platziert ist und der Betrachter in
Gestalt des Malers ins Bild drängt. Und deshalb lautet mein Motto für heute: Zurbaran
statt Cranach!