21 August 2006

Si tacuisses

Margot Käßmann, Bischöfin in Hannover, hat im Interview mit der kirchlichen Nachrichtenagentur epd ihre Äußerungen zu Madonna zu korrigieren gesucht. Nein, zum Boykott habe sie nicht aufgerufen. Das ist verwunderlich, weil die Nachrichtenagentur dpa sie in wörtlicher Rede zitiert: "Ich rate dazu, Madonna zu ignorieren, denn das dürfte sie am meisten treffen." Ihre Intention, Madonna zu bestrafen, ist unverkennbar. Wer Christen in ihren religiösen Gefühlen verletze, gehöre ebenso verletzt - wenn auch nur finanziell. Das ist wenig plausibel und im Lichte von Mt 5,39 (Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar) wäre es auch unevangelisch. Aber wen kümmert das schon?

Heute nun benennt die Bischöfing ihr Dilemma so: "Ignorieren wir sie aber, kann leicht der Eindruck entstehen, dass es uns gleichgültig ist, wenn wichtige christliche Symbole für Spaß und Show-Zwecke vermarktet werden." Da fragt man sich natürlich, was sie überhaupt vom Konzert wahrgenommen hat. Die Kreuzigungsszene als Ausdruck von Spaß und Show? Erinnern wir uns, dass Madonna ihre Inszenierung als symbolische Geste mit der Aids-Katastrophe in Afrika verbindet. Und das ist nicht erlaubt? Wer ist legitimiert, so etwas zu sagen?


Das weitere Gespräch mit epd verschlimmert das Ganze erheblich. Dort sagt sie: "So eine Inszenierung verletze neben Christinnen und Christen auch all jene Menschen, die persönliche Erfahrungen mit Leiden hätten." Implizit unterstellt Frau Käßmann Madonna also, keine eigenen Erfahrungen mit Leiden zu haben. Das ist natürlich blanker Unsinn und theologisch zudem hochbrisant. Seit wann dürfen Theologen dekretieren, dass jemand so wenig Erfahrungen mit Leid hat, dass er sich dazu nicht äußern darf? Sind es nicht gerade Theologen, die mit "geborgtem Leid" predigen?

Darüber hinaus: Spätestens seit Albrecht Dürer ist die künstlerische Christusidentifikation etabliert. Dafür stehen neben Dürer auch James Ensor oder Josef Beuys (letzterer mit der Fußwaschung im Rahmen der Aktion Celtic). Und all das ist illegitim? Und wer hat das Recht, das zu entscheiden?

Da kann man nur zum Schluss kommen: Wenn Du geschwiegen hättest, wärest Du Theologin geblieben!