26 Februar 2010

Höhere Warte?

Robert Leicht hat in der Diskussion um die aktuelle Situation an der Spitze des Protestantismus gesagt: "Ein Bischof und EKD-Ratsvorsitzender müsse sich ständig von einer hohen moralischen Warte aus zu Fragen der öffentlichen Ethik äußern. Deshalb gebiete es das Amt, dass es keinen Anlass zu einer Antwort „Das musst du gerade sagen!“ gebe."

Dagegen wäre dann doch daran festzuhalten, was Karl Barth 1933 so beschrieben hat: "Reformatorische Lehre ergeht gerade nicht von einer höheren Warte aus. Sie vergleicht nicht, sie erwägt nicht, sie diskutiert nicht. Sondern sie zeigt an, sie erklärt, sie disputiert. Dies ist's, was ihr Metall und Gefälle gibt. Dies ist's, was sie mit der Verkündigung der Propheten und der Apostel gemeinsam hat."

20 Februar 2010

Pfarrer einst - und heute?

"Ich sagte: „Der Krieg wird wohl bald zu Ende sein. Was dann über Deutschland hereinbrechen wird, davon können wir uns heute kaum eine Vorstellung machen. Soviel ist sicher, man wird solche Kerle wie Sie notwendig brauchen, Apfelsinenpfarrer. Unter tausend evangelischen Pfarrern gibt es keinen wie Sie. Heute, in der Stunde unseres Abschiedes darf ich Ihnen das sagen.

Die meisten Pfarrer haben acht Semester Theologie studiert, aber das Leben haben sie nicht studiert. Sie können die Bibel auslegen, aber das Leben kennen sie nicht. Viele Pfarrer sprechen nicht die Sprache des Menschen von heute und viele kennen auch die Nöte des Menschen von heute nicht. Außerdem glaubt man vielen von ihnen den Glauben nicht. Man glaubt ihnen nur die theologische Dialektik. Wo sie gehen und stehen, wollen sie andere bekehren. Sie wissen nicht, wie furchtbar schwer es ist, zu glauben. Sie vertreiben die Intelligenz aus der Kirche. Sie klammern sich an Betschwestern und Kirchgänger, als seien Beten und Kirchgang allein Zeichen von echtem Christentum."

Aus: Friedrich Deich,Windarzt und Apfelsinenpfarrer. Aufzeichnungen eines Psychiaters.

15 Februar 2010

Gegen das aristokratische Kunstverständnis?

Wenn man in der Kirche irgendwie Unsinn reden kann, dann tut man es auch. Gelegenheit bot hierzu die aktuelle Berlinale, die traditionell von den Kirchen begleitet wird. Während die Förderung der Auseinandersetzung mit dem Film an sich zumindest durch die Evangelische Kirche eher rückläufig ist (das Geld investiert man lieber in Projekte wie evangelisch.de), ist das Selbstbewusstsein ungebrochen hoch: "Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, sagte, das Filmschaffen eröffne 'Räume des Unverfügbaren' und übe damit auch einen eigenen Einfluss auf Religion und Theologie aus. Viele Filme verlangten theologisch versierte Zuschauer. Als Beispiel führte sie den Film-Klassiker "Metropolis" von Fritz Lang an". Vielleicht braucht es religiös versierte Zuschauer, aber theologisch versierte? Und inwiefern eröffnen Filme "Räume des Unverfügbaren"? Ist die säkulare Rede vom "Unverfügbaren" nicht eine völlig andere als die theologisch/religiöse Rede?

Dass ich das Ganze nicht nachvollziehen kann, hat offensichtlich auch etwas mit meinem elitären Kunstverständnis zu tun. Das wurde mir zumindest bei der Preisrede des von den Kirchen ausgezeichneten Filmwissenschaftlers Koebner deutlich. Koebner beklagte, dass es nach wie vor eine "kategorische Verachtung" des Films als Kunstform im konservativen deutschen Bildungsmilieu gebe. Zugleich sei aber auch der Einfluss eines aristokratischen Kunstverständnisses des deutschen Philosophen der "Frankfurter Schule", Theodor W. Adorno, für diese Geringschätzung mitverantwortlich.

Ja, so dachte ich mir das immer schon: Adorno ein Aristokrat und konservativer Bildungsbürger. Ach, waren das noch Zeiten, als Adorno in Deutschland (Ost und West) als Neo-Marxist galt. Heute reicht es, seinen Namen zu nennen und darauf zu setzen, dass alle bedenklich mit dem Kopf schütteln, denn gelesen hat ihn offensichtlich schon lange niemand mehr. Deshalb muss man auch nicht damit rechnen, dass einem jemand widerspricht, wenn man behauptet, Adorno sei für das schlechte Image des Films als Kunstform verantwortlich. Vielleicht liegt es doch eher am Genre selbst.

01 Februar 2010

Heft 63 von tà katoptrizómena ist erschienen!

steht unter dem Titel:

Ästhetisierung von Religion?


und enthält folgende Beitrage:

EDITORIAL

VIEW

Ästhetischer müssten die Evangelischen sein!
Notizen zur kulturellen Geisteslage des Protestantismus
Andreas Mertin

Zum Verhältnis von Ethik und Ästhetik
Was lässt sich aus Peter Weiss Die Ästhetik des Widerstands heute lernen?
Hans Jürgen Benedict

Mozart
Susanne Dammann

Reinventing Ritual
Dorothea Erbele-Küster

Idolatrie
Beobachtungen
Andreas Mertin

RE-VIEW

Der nackte Engel
Zur Ikonographie des Religiösen III
Andreas Mertin

Evolution: Von der Kunst zur Religion?
Eine Rezension
Andreas Mertin

POST

Ohne Stil
Postpopularkulturelle Gedanken
Andreas Mertin

Ausgefallenes
Zur Kritik der evangelischen Alpha-Männchen 2.0
Andreas Mertin