Karl Barth konnte im Band IV.3 der Kirchlichen Dogmatik knapp und präzise formulieren: "Die entscheidende Aufgabe der Predigt im Gottesdienst lässt die Anwesenheit von figürlichen Darstellungen Jesu Christi im Versammlungsraum der Gemeinde als nicht wünschenswert erscheinen". Würde er heute so etwas artikulieren und sei es auch nur für Schulräume müsste er sich gegenwärtig sehen, von den Kirchenräten der EKD als "kulturfremd und geschichtsvergessen" denunziert zu werden. So bezeichnet nämlich Oberkirchenrat Jürgen Frank die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, Kruzifixe in italienischen Schulen, insofern sie agnostische Eltern stören, entfernen zu lassen.
Das Wort "kulturfremd" hat dabei schon etwas. Wenn man es googelt, stößt man verdächtig oft auf Parolen der NPD.
Was aber meint der für die Bildung zuständige Oberkirchenrat Frank: Dass, wer gegen Kruzifixe sei, unserer Kultur oder gar der Kultur fremd sei? Vielen Dank, Herr Frank! Ich halte Kruzifixe selbstverständlich für eine nach dem 2. Gebot verbotene Blasphemie und protestiere dagegen, dass diese reformierte Haltung als "kulturfremd" denunziert wird. Sie ist ebenso Ausdruck unserer Kultur wie die gegenteilige, die Christus unbedingt vollfigural ans Kreuz nageln will und lieber das 2. Gebot aus dem Katechismus entfernt, als sich zu der Erkenntnis zu bequemen, dass die Trinität - und damit auch Christus - nicht darstellbar ist. Insofern hat m.E. der Europäische Menschengerichtshof ein höchst christliches und zugleich kulturaffines Urteil gesprochen.